Ich bin - das Bewusstsein. Ausdehnen

Seit dem Urknall wächst das Universum. Unermessliche Mengen von Energie schufen Galaxien, die sich immer noch voneinander entfernen und in den Raum ausdehnen. Das kann ich, das Bewusstsein, gut erkennen. Auf der Erde dehnt sich die Erdkruste an verschiedenen Stellen aus, sodass die Kontinente wandern. Pflanzen wachsen in Richtung Sonnenlicht. Die Menschen entwickeln sich ebenfalls. Sobald sie erwachsen sind, allerdings in unterschiedliche Richtungen.
Cassie sitzt auf dem Sofa vor dem Fernseher und isst Chips. Dabei hat sie schon Kekse, ein Eis am Stiel, ein paar Pralinen gegessen und ein Glas Wein getrunken. Sie fühlt sich unwohl, ihr Magen drückt und sie schiebt es auf das viele ungesunde Essen. Sie fühlt sich als Opfer von Gewohnheiten oder Suchtstoffen wie Zucker.
Wenn sie nur wüsste, was ich weiß. Sie nascht schon den ganzen Abend, um sich von ihren wahren Gefühlen abzulenken. Das Fett in den Chips aktiviert ihr Belohnungssystem und verschafft ihr ein körperliches Wohlbefinden. Dabei wäre es besser, sich mit den Ursachen für ihre Unruhe zu beschäftigen. Cassie fängt meine Botschaft auf. Sie stellt die Chipstüte zur Seite und setzt sich gerade hin. Aus Achtsamkeitsübungen kennt sie es, sich zu fragen, wie sie sich gerade fühlt.
Sie weiß es, aber sie mag es nicht denken, denn sie will es nicht wahrhaben. Dennoch atmet sie tief durch. Sie fühlt sich allein, ihr fehlt der Kontakt zu den erwachsenen Kindern, die inzwischen ausgezogen sind. Sie sehnt sich nach der Lautstärke und Lebendigkeit, die sie früher genervt hat. Es macht ihr keinen Spaß, sich allein und in Ruhe von dem Arbeitstag auszuruhen. Sie greift wieder nach den Chips. Das Knistern zwischen den Zähnen und der salzige Geschmack ziehen ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Sie bemerkt, dass sie ihren Körper beim Kauen entspannt. Alles, was sie von der Einsamkeit ablenkt, ist gut. Dabei wäre es hilfreich für sie, die neue Situation zu akzeptieren. Dann könnte sie die negativen Gefühle nach und nach überwinden und bräuchte keine Ablenkungen mehr.
Cassie steht seufzend auf, sieht sich in ihrem Wohnzimmer um. Sie hat es neu gestaltet, es ist schön und wohnlich, warm und sicher. Sie atmet mehrmals tief ein und aus. In diesem Moment fühlt sie sich wohl hier. Es geht ihr gut. Doch im nächsten Moment lehnt sie all das Gute ab. Sie will die Vergangenheit zurückhaben und weigert sich, das Gute der Gegenwart anzunehmen. Dieser Gedanke lässt sie aufhorchen. Ja, die Gegenwart ist gut. Nicht nur für sie selbst. Auch ihren Kindern geht es gut. Sie wachsen auf ihre eigene Weise ins Leben hinein. Der Gedanke macht Cassie glücklich. Sie räumt auf, macht den Fernseher aus und geht zu dem Sessel, auf dem sonst ihre Tochter saß und am Handy gespielt hat. Sie setzt sich hin. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf den Himmel. Sie lächelt unwillkürlich. Das ist jetzt ihr Lesesessel. Sie holt sich ein Buch und einen Tee und verbringt die nächste Stunde in der Welt, die das Buch für sie eröffnet. Sie ist ein bisschen mehr in ihrer Gegenwart angekommen.
Deine Anmerkung zu diesem Beitrag?