Darfst du grundlos traurig sein?

Achtsamkeit ist wichtig, aber müssen wir deshalb jede noch so kleine Traurigkeit ansehen?

Ich will einfach nur im Café sitzen und etwas lesen. Ich habe noch eine Stunde bis zur nächsten Verabredung und gönne es mir, Zeit totzuschlagen. Es ist ein sonniger Herbsttag, doch plötzlich kommt Traurigkeit in mir auf.

Dabei ist gar nichts passiert. Es gibt keinen Grund für Tränen. Also richte ich den Blick auf die kleine Topfpflanze mit den fröhlichen roten Blüten, um mich abzulenken. Es funktioniert, die Traurigkeit ist weg. Oder doch nicht? Ich nehme mir die Zeit, noch mal in mich hineinzuhorchen. Die Traurigkeit ist natürlich noch da. Ob ich nun hinsehe oder nicht. Meine Ablenkungsmanöver ändern nichts daran.

Das Café ist voller Menschen, Stimmen und Gelächter. Niemand nimmt Notiz von mir. Also stelle ich mich der Traurigkeit. Ich hoffe, dass ich nicht weinen muss, aber das passiert glücklicherweise nicht. Ich frage mich, was das für eine Traurigkeit ist. Leider bekomme ich keine Antwort.

Ich frage mich, was ich gedacht habe, bevor ich traurig wurde. War da ein Gedanke, der mich traurig gemacht hat? Ich kann mich nicht erinnern. Soll ich es dabei belassen und mich meiner Lektüre widmen? Oder soll ich die Traurigkeit einladen, sich noch einmal zu zeigen? Am liebsten würde ich die Traurigkeit einfach vergessen, aber das ist keine Lösung. In den vielen Jahren mit energetischen Methoden habe ich eins gelernt: Was da ist, will auch angesehen werden. Ignoriert man die Dinge zu lange, kommen sie an der falschen Stelle wieder hoch. Sei es als Gefühlsausbruch, als Kurzschlusshandlung oder als Krankheit.

Ich lege mein virtuelles Buch beiseite. Okay, liebe Traurigkeit, was willst du mir sagen?
Ein Bild von der Arbeit taucht auf. Ein Flur, eine Tür. Sonst nichts. Es ist das Büro einer Kollegin, die in Rente geht. Wir kennen uns schon lange. Früher haben wir eng zusammen gearbeitet, viel Zeit miteinander verbracht, viel gelacht. Jahrelang hatten wir nichts mehr miteinander zu tun. Seit einem Jahr sitzen wir auf demselben Flur, grüßen uns und halten hin und wieder ein kleines Schwätzchen in der Teeküche. Bin ich etwa traurig, dass sie geht? Seitdem ich dort arbeite, war sie da. Eine lange Zeit in anderen Abteilungen, aber ich kenne das Haus nur mit ihr. Ja, ich bin traurig. Und das ist okay so.

Sie würde sich jetzt amüsieren, dass sie in Rente gehen kann und wir uns weiter rumärgern müssen. Ich muss schmunzeln. Hinter der Traurigkeit taucht der Schalk auf, den sie immer im Nacken hat. Der Kellner fängt mein Lächeln auf und zwinkert mir zu. Ich bin froh, meinem traurigen Gedanken gefolgt zu sein. Denn dahinter stecken auch schöne Erlebnisse.

Wie gehst du damit um, wenn plötzlich unangenehme Gefühle auftauchen? Schreib es in die Kommentare.

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Kommentare

Kommentar von Serafina |

danke für diesen Beitrag. ja, das kenne ich und inzwischen kann ich auch sehen, dass meine Traurigkeit mit Verlust zu tun hat, weil etwas Schönes geht.

Antwort von Alexandra Kusche

Liebe Serafina,

das klingt bittersüß. Danke fürs Teilen. Ich wünsche dir alles Gute.

Liebe Grüße von Alexandra

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